Die Zeit für die Stadt wird knapp
Zahlungsunfähigkeit droht, die Frage ist nur wann - Klausur bringt nur wenig Ergebnisse

Für die Heisterbachstraße, hier ein Foto von den Bauarbeiten aus dem Jahr 2011, muss Neu-Anspach noch immer Zahlungen leisten. Doch für die Stadtkasse gehen alle Signale auf Rot. archivfoto: saltenberger
Ist Neu-Anspach im März 2021 bankrott oder sogar im Januar schon zahlungsfähig? Die Zahlen verheißen nichts Gutes, und die Politiker aller Fraktionen wären gut beraten, sich zusammenzuraufen und die real drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.
Die aktuellen Zahlen sprechen für sich. Und während die Finanzpolitiker sich gerade anschicken, den Haushalt für das Jahr 2021 zu beraten, hat die Stadt noch nicht einmal einen genehmigten Haushalt 2020, der als Doppelhaushalt 2019/20 ausgelegt war.
Auch der letzte Versuch, diesen noch durchzubekommen, scheiterte. Dass die Aufsichtsbehörde erneut dem Haushalt mit seinem Konsolidierungskonzept die Genehmigung versagte, teilte Bürgermeister Pauli in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses mit. Das Schreiben des Landrats vom 5. November war als Anlage den Vorlagen beigefügt.
Darin heißt es explizit: "Der dauerhafte Haushaltsausgleich ... muss Ziel der politisch Verantwortlichen sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle Möglichkeiten der Einsparung genutzt werden und unter Umständen kommunale Leistungen abgebaut werden".
Forderungen nicht umgesetzt
Ein zweiter deutlicher Fingerzeig auf den Ernst der Lage enthält der jüngste Bericht über den Haushaltsvollzug, erstellt durch die Verwaltung: "Die andauernde vorläufige Haushaltsführung verschärft die Liquiditätslage immer weiter. Sollte die vorläufige Haushaltsführung auch 2021 fortschreiten und keine Einsparungen/Steuererhöhungen beschlossen werden, wird sich die Lage weiter zuspitzen und im März/April 2021 dazu führen, dass Zahlungen nicht geleistet werden können."
Deutlicher geht es kaum noch. Und noch eine Mahnung kommt dazu, denn im Bericht des Rechnungsprüfungsamtes zum Abschluss 2019 heißt es: "Die Stadt Neu-Anspach hat die zentralen Feststellungen der überörtlichen Prüfung, die zu einer Stabilisierung der Haushaltslage führen sollten, ebenso wie die in die gleiche Richtung zielenden Feststellungen des RPA-HTK (Rechnungsprüfungsamt des Hochtaunuskreises, Anm.d.Red.) in den Berichten über die Prüfung der Jahresabschlüsse nicht umgesetzt". Wer jetzt noch nicht gemerkt habe, wie brenzlig die Lage sei, werde der angemahnten Verantwortung als Stadtverordneter und damit souveräner Entscheider über die städtischen Finanzen nicht gerecht.
Aber es wird immer noch auf Zeit gespielt. Das zumindest werfen die Stadtverordneten und Ausschussmitglieder aus CDU, FWG-UBN sowie der Grünen der Mehrheit aus b-now, SPD und der NBL/NBF vor. Letztere hatten gleich zu Beginn der Haushaltsklausur am Samstag beantragt, die abschließende Beratung zu vertagen und stattdessen mit ergänzenden Anträgen einen Fragenkatalog und Prüfungsaufträge für den Magistrat zusammengestellt, deren Antworten und Ergebnisse nach ihrer Auffassung erst verlässliche Randbedingungen liefern sollten.
Holger Bellino reagiert harsch
Allein zwölf Prüfanträge formulierte die SPD, die b-now noch einmal acht, unter anderem die Darstellung der Top-Fünf-Kostenblöcke, welche durch die Kommunalpolitik beeinflussbar seien. Eine weitere Stoßrichtung der drei antragstellenden Fraktionen sind übergeordnete Institutionen und Instrumente. So wird gebeten, zu prüfen, ob das Land die Schuldenbremse für notleidende Kommunen lockern könnte, die Hessenkasse nicht übernommene Kredite nachträglich übernehmen oder die Tilgung vorübergehend aussetzen könnte oder der Kreis für Neu-Anspach die Kreis- und Schulumlage senken könnte.
Die drei Minderheitsfraktionen sehen in der Aufschiebung der abschließenden Beratung den Versuch, diese über die Kommunalwahl hinauszuschieben, was allerdings verheerende Auswirkungen hätte, wie aus den eingangs geschilderten Faktoren resultiert. Die Kritik von CDU, FWG-UBN und den Grünen konnte nicht schärfer sein: Man suche die Schuldigen außerhalb und bei äußeren Umständen, anstatt den eigenen Haushalt zu gestalten, so die Essenz.
Besonders harsch reagierte Holger Bellino von der CDU, gleichzeitig Stadtverordnetenvorsteher und Landtagsabgeordneter: "Das hatten wir noch nie, dass eine Bürgermeistermehrheit dem eigenen Bürgermeister den Haushaltsentwurf zurückgibt. Und wir hatten auch noch nie einen nichtgenehmigten Haushalt."
Auch die Ausschussmitglieder Birger Strutz, Ulrike Bolz (beide CDU) Regina Schirner (Grüne) sowie Hans-Peter Fleischer (FWG) erhöhten den Druck auf die SPD-, b-now- und NBL-Allianz, so dass man bei der Terminplanung einlenkte. Die Beratungen könnten im Januar fortgesetzt werden, mit dem Ziel, auch im Januar noch zu beschließen. "Das ist ja dann immer noch vor der Kommunalwahl", so Andreas Moses (NBF).
Dass dann alle Fragen beantwortet vorliegen, ist unwahrscheinlich, und ob der Terminplan aufgeht, ebenso. Das Damoklesschwert der Zahlungsunfähigkeit hängt allerdings an einem immer dünner werdenden Faden.
So kann eine außerplanmäßige Ausgabe über 100 000 Euro zur Abrechnung der Heisterbachstraße nur überwiesen werden, weil gerade Steuereinnahmen eingegangen waren. Dieser Ausgabe stimmte der Ausschuss einstimmig zu. Die genannten Anträge mit "aufschiebender Wirkung" wurden mit der Stimmenmehrheit von sechs zu fünf von den Antragstellern durchgesetzt.
Frank Saltenberger

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