„Es gibt auch eine Holschuld“
Parlamentschef Holger Bellino ist mit der Resonanz der Bürgerversammlung zufrieden, ärgert sich aber auch über „Politik-Muffel“
NEU-ANSPACH . So richtig voll war das Hausener Dorfgemeinschaftshaus nicht, als die Bürger am Freitagabend die Chance hatten, Bürgermeister Thomas Pauli (SPD) und Parlamentschef Holger Bellino (CDU) mit Fragen zu löchern. Nur rund ein Dutzend „echter“ Bürger hatte sich laut „UA-Bericht“ eingefunden – die weiteren Gäste waren selbst „in der Politik“.
CDU-Politiker Bellino widerspricht aber der These, die Bürgerversammlung sei ein Misserfolg gewesen. „Rund 30 Besucher, zuhörende Kommunalpolitiker mitgerechnet, ist doch nicht schlecht“, sagt er im UA-Interview. Kritik übt Bellino an jenen Bürgern, die sich selber nicht informieren, dann aber gerne auf die Politik schimpfen.
Es waren nur relativ wenige Bürger anwesend – trotz spannender Themen. Sind Sie von der Resonanz enttäuscht?
Nein, der Besuch der Bürgerversammlungen ist freiwillig. Die einzigen, die da sein müssen, sind der Bürgermeister (oder ein Vertreter) und ich. Rund 30 Besucher, zuhörende Kommunalpolitiker mitgerechnet, ist auch gar nicht schlecht. Seitdem ich Parlamentsvorsitzender bin, gibt es vier Bürgerversammlungen pro Jahr und das gibt es sonst nirgends. Übrigens: Alle drei Bürgermeister in meiner Amtszeit, Gerd Hillen, Klaus Hoffmann und Thomas Pauli, folgten meinem Vorschlag und machten mit. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit.
Wie können solche Bürgerversammlungen „attraktiver“ gestaltet werden?
Es geht nicht darum, eine Fun-Veranstaltung oder sonst irgendeinen Mehrwert anzubieten. Wir sollten uns auch nicht anbiedern. Ich möchte auch keine Themen setzen (dafür gibt es mit den Bürgerinformationsveranstaltung ein gesondertes Angebot, beispielsweise zu konkreten Baumaßnahmen), sondern die Tagesordnung bewusst offen halten. Alles soll angesprochen werden können, vom klappernden Kanaldeckel über die Gebührensätze bis zur Bevölkerungsentwicklung. Das ist für uns zwar anstrengender, wir wissen ja nicht, was angesprochen wird, für den Bürger aber ein Angebot mit niedrigen Hemmschwellen.
Viele Bürger kritisieren ja gerne die fehlende Transparenz in der Politik. Doch dann wird eine solche Gelegenheit kaum wahrgenommen. Ist diese Transparenz-Kritik in diesem Lichte überhaupt nachvollziehbar?
Wir waren schon immer transparent und bleiben es auch. Zzumindest, so lange ich hier ein Wort mitzureden habe. Das heißt auch: Keine Sitzung vor 20 Uhr. Damit haben auch Berufstätige eine Chance zum Besuch. Protokolle, die nicht nur das Ergebnis, sondern auch den Diskussionsverlauf festhalten, möglichst nur öffentliche Sitzungen, offene Homepage, die Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme und vieles mehr. Was aber auch richtig ist: Informationsgewinnung ist auch eine Holschuld. Manch einem sage ich auch, er soll seinen Hintern hochbringen, statt plötzlich einen auf überrascht zu tun, weil er ja gar nichts mitbekommen hat. Wer keine Lokalzeitung liest, die Kommunalpolitik nicht begleitet, in Neu-Anspach „nur“ schläft und sich nicht irgendwo engagiert, einen „Werbung-Nein-Danke-Aufkleber“ auf dem Briefkasten hat (dann dürfen noch nicht einmal die Parteien etwas einwerfen) und sich dann beschwert, er werde nicht informiert, der soll mal seine eigene Einstellung überprüfen, anstatt über „die Politik“ zu schimpfen. Da bin ich klar aufgestellt und nehme kein Blatt vor den Mund.

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